Figurine zeigt eine neue Gestalt
Mehr als 20 Jahre lang galt das erste aus der Welterbe-Höhle Hohle Fels geborgene Elfenbeinkunstwerk als Pferd – bis Archäologen nun einen neuerlichen Fund gemacht haben.
Bei Ausgrabungen in der Welterbe-Höhle Hohle Fels auf der Schwäbischen Alb nahe Schelklingen haben Archäologen 2022 ein Fragment einer sorgfältig geschnitzten Elfenbeinfigurine geborgen, das einem der bekanntesten Eiszeitkunstwerke ein neues Äußeres verleiht: Das Figurenfragment hat sich als Stück eines Körpers entpuppt, das perfekt an einen bereits 1999 gefundenen Tierfigurenkopf passt. Dieser wurde als erste im Hohle Fels gefundene Elfenbeinfigurine berühmt und bislang als Teil einer Pferdefigur interpretiert.
Diese Bewertung stellt das Team von Professor Nicholas Conard nun in Frage: „Wir können die dargestellte Tierart immer noch nicht sicher bestimmen, aber es könnte ein Höhlenlöwe oder ein Höhlenbär sein“, sagt Professor Conard. Die Teile der Figur wurden in Schichten der altsteinzeitlichen Kultur des Aurignacien geborgen und vor 35.000 Jahren geschnitzt.
Professor Conard hält das Kunstwerk aus der jüngeren Altsteinzeit für eine Bärenfigur: „Die Figurine hat nun einen massigen Körper, zeigt den typisch ausgeprägten Bärenbuckel in Schulterhöhe und präsentiert sich in einer Körperhaltung, die den trottenden Gang eines Bären nachahmen könnte.“ Andere schreiben der Figur anatomische und physiognomische Eigenschaften eines Höhlenlöwen zu. Es ist nicht immer einfach, eiszeitliche Darstellungen verbindlich zu bestimmen, besonders wenn sie so bruchstückhaft erhalten sind.
Die Tierfigur ist jetzt aus fünf Fundfragmenten zusammengesetzt, die in unterschiedlichen Grabungsjahren geborgen wurden: Auf den 1999 gefundenen Kopf, der im Halsbereich abgebrochen war, konnte kurz darauf unter den Elfenbeinfunden ein kleines Stück der Backe identifiziert und angepasst werden. So wurde der Fund gut 9 Jahre lang im URMU ausgestellt.
Das neue Fragment ist 3,99 cm lang, 2,49 cm hoch und 0,55 cm dick und auf einer Seite mit mehreren feinen, bewusst gravierten Linienmustern versehen. Es wurde kurz nach der Ausgrabung als rechte Schulter und Brustkorb des Tieres erkannt und angefügt. Unter den zahlreichen Elfenbeinfunden aus dem Hohle Fels fand sich ein weiterer kleiner Teil der rechten Körperseite. Dieser kleine, an die Figur angesetzte Rumpfteil trägt wie die anderen Stücke sehr feine Linien in der gleichen Ausführung. Sehr wahrscheinlich gehört noch ein weiteres Fragment zu der Figur: Es könnte ein Teil des linken Vorderbeines sein, kann aber nicht mit dem restlichen Körper verbunden werden.
Die ergänzte Elfenbeinfigurine ist jetzt im URMU ausgestellt.
Publikation:
Nicholas J. Conard, Alexander Janas, Fundreiche mittelpaläolithische Schichten und neue Einblicke in Technologie und Subsistenz der Neandertaler im Hohle Fels.
In: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2022,
Juli 2023, S. 48 – 53.