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Hohle Fels 2021 - Arbeitsfoto


2022 fund des jahres 1Fund des Jahres - Ausstellung


2022 fund des jahres 2Fund des Jahres - Ausstellung

 
Hohle Fels
Hohle Fels bei Schelklingen

Hohle Fels - Halle
Halle im Hohle Fels

Literatur zu den Vogelknochen

Nicholas J. Conard, Alexander Janas:
„Fundreiche mittelpaläolithische Schichten und neue Einblicke in Technologie und Subsistenz der Neandertaler im Hohle Fels.“
Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2021, Juli 2022, S. 67-72.


Siah Beattie:
„Middle Palaeolithic Avian Fauna from Hohle Fels and Neanderthal Lifeways."

Masterarbeit, Tübingen 2022.

Brathähnchen und Federboa

Neue Strategien für Neandertaler

Muskelbepackte Neandertaler streiften vor über 50 000 Jahren durch die Mammutsteppe und stellten sich heldenhaft der Großwildjagd – so geistert die Vorstellung von dieser Menschenform durch viele Köpfe.
Die Forschungsfrage nach dem Aussterben der Neandertaler vor rund 38 000 Jahren wurde mit verschiedenen Aspekten beantwortet. Mangelnde kognitive Fähigkeiten oder eine zu festgefahrene Lebensstrategie mit einem zu eingeschränkten Beuteschema waren Überlegungen dazu. Die Jagd auf schnelle Tiere, wie Vögel und Hasen, wurde als moderne Fähigkeit der heutigen Menschenform zugeschrieben, die seit etwa 40 000 Jahren bei uns nachzuweisen ist.
Doch das Bild vom starken, aber unflexiblen Jäger mit einer Vorliebe für große Steaks wandelt sich seit einiger Zeit.

Für Südeuropa gelang erstmals vor einigen Jahren der Nachweis, dass Neandertaler durchaus ein größeres Nahrungsspektrum nutzten und damit auch gezieltere Jagdstrategien entwickelten. Auf Vogelknochen wurden Jagd- und Schlachtspuren entdeckt. Außerdem wird ein gezieltes Auslösen von Federn aus den Schwingen großer Raubvögel angenommen. Deren Verwendung als Schmuck wird inzwischen als wahrscheinlich angesehen.
Mit dem Fund des Jahres aus der Grabungssaison 2021 wird nun erstmals auch für das mittlere Europa eine Nutzung von Vögeln durch Neandertaler fassbar. Grundlage ist die aktuelle Forschungsarbeit der Archäologin Siah Beattie, die Vogelknochen aus dem Hohle Fels analysiert hat.

Siah Beattie,
Middle Palaeolithic Avian Fauna from Hohle Fels and Neanderthal Lifeways. Masterarbeit, Tübingen 2022.

Neandertaler am Hohle Fels

Mit dem Fortschreiten der Ausgrabungen im Hohle Fels öffnet sich nun auch ein Fenster in die Zeit der Neandertaler. Durch die sorgfältige Grabungstechnik ist eine genauere Erforschung der Lebensweise dieser Menschenform möglich.
Im Vorbereich der großen Höhlenhalle sind derzeit sechs Fundhorizonte (AH VI bis AH XI) aus der Zeit der Neandertaler bekannt, aber der anstehende Fels ist noch nicht erreicht. Vor allem die Fundschichten AH IX und AH X erbrachten viele Funde an Werkzeugen und Knochen aus der Jagdbeute. Über eine Elektronenspin-Resonanz-Datierung (ESR-Datierung) konnte das ungefähre Alter für die Fundschicht  AH X auf mindestens 64 000 Jahre bestimmt werden. Das Klima war in dieser Zeit nicht zu kalt, mit relativ warmen Sommern. Die Landschaft um den Hohle Fels bestand aus einer Mischung von Wäldern und offenen, feuchten Wiesenflächen.

Brathähnchen am Hohle Fels

Aufgrund ausgezeichneter Erhaltungsbedingungen konnten bei den Ausgrabungen der letzten Jahre viele Vogelknochen geborgen werden. Meist sind es kleine Bruchstücke, die genauestens wissenschaftlich analysiert werden. Allein aus dem archäologischen Horizont X (AH X) stammen 1187 Vogelreste. Die meisten Vögel sind ohne menschliches Zutun in die Fundschichten gelangt. Vor allem Füchse und Raubvögel brachten ihre Beute in die Höhlen. Fressreste und Eulengewölle wurden eingeschwemmt.
Nur menschliche Bearbeitungsspuren auf den Knochen liefern einen ausreichenden Nachweis für die Vogeljagd durch Neandertaler. Dies ist nun auch für unsere Region gelungen.
Mindestens sechs Vogelknochen aus dem AH X zeigen Spuren einer Bearbeitung durch Neandertaler und belegen, dass schon vor über 64 000 Jahren die Verwertung von Vögeln – und vermutlich auch die aktive Jagd auf diese – wichtiger Teil der Ernährung war. Die meisten Schnittspuren sprechen für das Auseinanderbrechen von Gelenken und das Ablösen von Fleisch vom Knochen.
Die Knochenreste werden in erster Linie den Raufußhühnern (Tetraonidae) sowie den Entenvögeln (Anatidae) zugeordnet. Zu den Raufußhühnern gehören Schnee-, Auer- und Birkhühner. Also Hühnervögel, die sich den kalten, nördlichen Breiten angepasst haben und auch langfristig mit einer kargen Kost auskommen. Die Familie der Entenvögel umfasst viele Arten. Diese lassen sich jedoch archäologisch nicht immer eindeutig bestimmen. Es  gehören alle Enten sowie Gänse und Schwäne dazu.
Im Verhältnis zur Menge an Knochen von großen Säugetieren zeigt die geringe Anzahl an Vogelknochen mit Schlachtspuren, dass Neandertaler zwar durchaus auch kleinere Tiere erbeuteten, aber wohl dennoch das große Steak von Pferd, Rentier oder Bison bevorzugten. Hier war die Kalorienausbeute in Relation zum Jagdaufwand einfach besser.

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ROAST CHICKEN AND FEATHER BOA

New Strategies for Neanderthals

Muscle-bound Neanderthals roamed the mammoth steppe more than 50 000 years ago and heroically faced up to big-game hunting – this is how the idea of this human species haunts many minds.
The research question about the extinction of the Neanderthals around 38 000 years ago has been answered with different aspects. A lack of cognitive abilities or a too rigid life strategy with a too limited prey pattern were considerations. Hunting fast animals, such as birds and hares, was attributed as a modern ability to the modern human, which has been with in our region about 40 000 years.
But the image of the strong but inflexible hunter with a preference for big steaks has been changing for some time now.
A few years ago, evidence was found for the first time in Southern Europe that Neanderthals used a broader food spectrum and thus developed more targeted hunting strategies. Traces of hunting and slaughter have been discovered on bird bones. In addition, it is assumed that feathers were deliberately extracted from the wings of large birds of prey. Their use as jewellery is now considered probable.
With the find of the year from the 2021 excavation season, the use of birds by Neanderthals has now become tangible for Central Europe for the first time. The basis is the current research work of archaeologist Siah Beattie, who analysed bird bones from the Hohle Fels cave.

Siah Beattie,
Middle Palaeolithic Avian Fauna from Hohle Fels and Neanderthal Lifeways. Masterarbeit, Tübingen 2022.

Neanderthals at the Hohle Fels cave

With the progress of the excavations in the Hohle Fels cave, a glimpse into the time of the Neanderthals is now also opening up. Careful excavation techniques have made it possible to study the way of life of this human species in greater detail.
In the area in front of the large cave hall, six find horizons (AH VI to AH XI) from the time of the Neanderthals are currently known, but the outcropping rock has not yet been reached. Especially the find layers AH IX and AH X yielded many finds of tools and bones from hunting prey. Using electron spin resonance dating (ESR dating), the approximate age of find layer AH X could be determined to be at least 64 000 years. The climate was not too cold during this period, with relatively warm summers. The landscape around the Hohle Fels cave consisted of a mixture of forests and open, wet meadow areas.

Roast Chicken at the Hohle Fels cave

Due to excellent preservation conditions, many bird bones have been recovered during excavations in recent years. Most of them are small fragments that are being analysed scientifically in great detail. There are 1187 bird remains from archaeological horizon X (AH X) alone. Most of the birds got into the find layers without human intervention. Primarily foxes and birds of prey brought their prey into the caves. Food remains and owl pellets were washed in.
Only human processing traces on the bones provide sufficient evidence for bird hunting by Neanderthals. This has now also been achieved for our region.
At least six bird bones from the AH X show traces of processing by Neanderthals and prove that even more than 64 000 years ago the exploitation of birds – and probably also the active hunting of them – was an important part of the diet. Most of the cut marks indicate the breaking apart of joints and the detachment of flesh from bone.
The bone remains are primarily attributed to grouse (Tetraonidae) and ducks (Anatidae). The grouse include ptarmigan, capercaillie and black grouse. In other words, poultry birds that have adapted to the cold, northern latitudes and get by on a meagre diet even in the long term. The duck family comprises many species. However, these cannot always be clearly identified archaeologically. It includes all ducks as well as geese and swans.
Concerning the number of bones of large mammals, the small number of bird bones with traces of slaughter shows that although Neanderthals also preyed on smaller animals, they probably still preferred the large steak of horse, reindeer or bison. Here, the calorie yield was simply better compared to the hunting effort.


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